Durchgängige Sprachbildung am GaW

Lernen geschieht durch Sprache. Es gibt kaum einen Lerngegenstand, der ohne die notwendige Zuhilfenahme von Sprache vermittelt und verstanden werden kann, kein Unterrichtsfach, das sich nicht unentwegt der schier grenzenlosen Möglichkeiten sprachlicher Ausdrucksformen bedient. Unter dieser Prämisse wird der enge Zusammenhang zwischen sprachlichen Fertigkeiten und einer erfolgreichen Teilhabe am Lernen schnell deutlich. Gleichzeitig erwächst daraus der Anspruch an alle Schulen, an alle Fächer und an jeden einzelnen, diesem Umstand im Schulalltag Rechnung zu tragen und sich der gezielten und umfassenden Förderung der Sprachfertigkeiten aller Schülerinnen und Schüler konsequent zu widmen.

Warum ist Durchgängige Sprachbildung so wichtig?

„Entscheidend für den Schulerfolg ist […] das Erreichen eines möglichst hohen Grades an bildungssprachlichen Kompetenzen.“ (Trapp 2016)

Nicht nur die Sprache selbst, auch ihre Sprechergemeinschaft unterliegt einem stetigen Wandel, der immer neue Herausforderungen mit sich bringt: Die digitale Kommunikation beispielsweise ist längst ein fester Bestandteil des Alltags und fest im Leben (nicht nur) der Schülerinnen und Schüler verankert, was zu zahlreichen neuen Ausprägungen der Alltagssprache abseits von „traditionellen“ Medien und Kommunikationsmitteln und deren „klassischem“ Sprachangebot führt. Was auf der einen Seite von Kreativität, Effizienz und Ideenreichtum zeugt, bringt auf der anderen Seite auch Herausforderungen mit sich, nämlich die Fertigkeit zu wahren und zu vertiefen, situativ angemessen, adressatengerecht und zielgerichtet sprachlich handeln zu können, sei es mit den Freunden im Park, im Gespräch mit der Geschichtslehrerin oder bei der pointierten und überzeugenden Formulierung der eigenen Argumentation in einer Klausur.

Gleichzeitig wird die Sprechergemeinschaft stetig um Menschen unterschiedlicher Herkunft erweitert, für die die Sprache ein essentielles Mittel der Integration und Teilhabe am kulturellen und öffentlichen Leben darstellt. Dass diese Menschen dabei vor einer enormen Aufgabe stehen und gezielter Hilfsangebote bedürfen, um insbesondere in Bildungsfragen nicht benachteiligt zu werden, steht außer Frage. In diesem Zusammenhang sollte jedoch auch die sprachliche und kulturelle Vielfalt zum Tragen kommen, die ebenfalls ein fester Bestandteil des Schullebens geworden ist und neben den bekannten Herausforderungen auch gewinnbringende Möglichkeiten des Austauschs und Voneinanderlernens bereithält.

Durchgängige Sprachbildung macht es sich zur Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler auf diesem Weg hin zu einer vielseitigen, sie befähigenden Bildungssprache zu begleiten und umfänglich zu unterstützen.

Was genau ist Durchgängige Sprachbildung?

Alltagssprache und Bildungssprache nach Leisen (2017)

„Sprachbildung ist der Weg der Lerner von der Alltagssprache zur Bildungssprache.“ (Leisen 2017)

Alle Schülerinnen und Schüler sind mit einem individuellen Repertoire an sprachlichen Fertigkeiten ausgestattet, das sie und ihre Sprache einzigartig macht. Geprägt wird dieses maßgeblich durch die innere und äußere Mehrsprachigkeit eines jeden Einzelnen sowie die unterschiedlichsten biographischen Einflüsse. Alle Schülerinnen und Schüler verfügen über eine individuelle Alltagssprache, die das unkomplizierte Kommunizieren in alltäglichen Situationen ermöglicht. Angereichert wird dieses Repertoire in der Schule sukzessive durch weitere Register wie Unterrichtssprache und Fachsprache: Jedes Unterrichtsfach, jedes Thema fordert von den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse bestimmter Begriffe, Ausdrücke und Formulierungen, die sie zu einem präzisen sprachlichen Umgang mit dem Unterrichtsgegenstand befähigen. Um zwischen der Alltagssprache, die primär für simple und alltägliche Kommunikation genutzt wird, und Fachsprache zu vermitteln, kommt der Bildungssprache eine entscheidende Rolle zu: Dieses Register kommt zum Einsatz, wenn die Komplexität eines Sachverhalts nicht oder nur unzureichend mit „einfacher“ Sprache ausgedrückt werden kann, und befähigt die Schülerinnen und Schüler damit zu einer zielgerichteten, komplexen Kommunikation und verhilft ihnen zu einem differenzierteren, umfangreicheren Sprachschatz, der nicht nur für das Lernen in der Schule unerlässlich ist. 

Genau an diesem Punkt, der Förderung und dem Ausbau der Bildungssprache, setzt die Durchgängige Sprachbildung an: Sie ist ein Gesamtkonzept zur sprachlichen Bildung, das Schülerinnen und Schülern dazu verhilft, Bildungssprache situationsbedingt, zielgerichtet und gewinnbringend anzuwenden. Dabei wird Bildungssprache auf den einzelnen Stufen der Bildungsbiographie schrittweise entwickelt und ausgebaut. Das bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler eine durchgängige Unterstützung beim Erlernen der Bildungssprache erhalten.

Wie und wo findet Durchgängige Sprachbildung statt?

Ob Fachbegriffe und komplexe Zusammenhänge in einem Biologietext, präzise Formulierungen bei einer Bildanalyse im Fach Kunst oder klare und genaue Beschreibungen von Bewegungsabläufen in einer Unterrichtseinheit im Fach Sport – Schülerinnen und Schüler sehen sich in jedem Unterricht sprachlichen Herausforderungen gegenüber, sowohl in rezeptiver (aufnehmender) als auch in produktiver Hinsicht. Als Konsequenz daraus muss auch Durchgängige Sprachbildung in jedem Unterricht und in allen Jahrgangsstufen stattfinden und damit im wahrsten Sinne des Wortes „durchgängig“ sein. Sprachliches und fachliches Lernen sind dabei untrennbar miteinander verbunden.

Im Mittelpunkt steht die kontinuierliche Förderung des Leseverstehens, des Schreibens und eines reflektierten Umgangs mit Sprache. Die Prinzipien des sprachbildenden Unterrichts sehen dabei neben einem Fokus auf Kommunikation unter anderem einen Wechsel von Darstellungsformen (z.B. Umwandlung von Textinformationen in ein Schaubild oder Versprachlichung einer Grafik) und kalkulierte sprachliche Herausforderungen vor, so dass die Sprachanforderungen das individuelle Sprachvermögen der Schülerinnen und Schüler knapp übersteigen. Zudem erhalten die Lernenden genau so viele sprachliche Hilfen, wie sie zum erfolgreichen Bewältigen einer Aufgabe benötigen (z.B. durch Scaffolding). Gleichzeitig wird die Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler als wichtige Ressource wertgeschätzt und nicht als Bürde betrachtet. Wann immer es hilfreich ist, werden beispielsweise Sprachvergleiche angestellt und so die Reflexion über die eigene Sprache hinaus ermöglicht (vgl. Leisen 2021).

 

Quellen:

Leisen, Josef (2017): Ein Werkzeugkasten für die Sprachanwendung - Kinder und Lernende zur Bildungssprache führen - Der sprachsensible Unterricht in der Primar- und Sekundarstufe.

Leisen, Josef (2021): Prinzipien im sprachsensiblen Fachunterricht.

Trapp, Ulrike (2016): Durchgängige Sprachbildung und pädagogische Professionalität in der Migrationsgesellschaft.

Ansprechpartner

Dr. David Werner

Fächer:
Deutsch, Englisch

Am GaW seit: 2010

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