Über den Besuch der neunten Klassen im LWL-Klinikum Gütersloh berichten für uns Sena (Text) und Isabel (Foto), beide Jahrgang 9:
Abhängigkeit – ob in Form von heimlichem Vapen auf den Toiletten oder von stundenlanger Handynutzung ist ein Thema, welches unter anderem in Schulen zu einer immer größer werdenden Problematik wird. Viele Jugendliche sind sich der Folgen und Nachteile ihrer Handlungen nicht bewusst und geraten in eine Sucht. Um dieser Situation vorzubeugen und für mehr Aufklärung in diesem Gebiet zu sorgen, fahren die neunten Klassen vom GaW jedes Jahr für einen zweistündigen Besuch in die Bernhard-Salzmann-Klinik in Gütersloh, wo den Schülern die Möglichkeit gegeben wird, mit dort lebenden Patienten zu reden und somit einen tieferen Einblick in das Leben mit einer Suchtkrankheit zu bekommen.
Nach einer kurzen Anreise erblicken wir das seit 1965 bestehende Gebäude der Klinik. Dieses ist Teil des Psychiatrie-Verbundes Westfalen Lippe und beherbergt rund 100 Patienten. Neben einigen anderen Ambulanzen und Häusern findet man es innerhalb eines öffentlichen Parks. Das Gespräch sollte jedoch in einem der vielen Räume stattfinden.
Anfangs werden wir von Ulrike Dieckenhorst begrüßt, sie ist bereits seit 32 Jahren als therapeutische Leiterin der Klinik tätig. Neben ihr sitzen sechs Personen mit komplett verschiedenen Persönlichkeiten, welche sich zu unserem Glück bereit erklärt haben, an der Veranstaltung teilzunehmen und den Schülerinnen und Schülern ihre Geschichte zu erzählen und auch Fragen zu beantworten. Jeder von ihnen ist zur Zeit als Patient zur Bewältigung von Alkohol- oder Drogensucht hier untergebracht.
Durch vorher im Unterricht erarbeitete Fragen erfahren wir mehr über ihre vielfältigen Hintergründe, welche uns helfen, die Gründe für ihren Aufenthalt nachvollziehen zu können. Vor allem ein "schlechtes" Umfeld wird als Auslöser der eigenen Suchterkrankung genannt. Freunde und Familie, welche selber abhängiges Verhalten aufweisen, gäben ihre Verhaltensweisen oft an ihre Mitmenschen weiter. Aber auch nicht aufgearbeitete traumatische Erlebnisse sowie Stress können zu einer Abhängigkeit führen, wobei man hierbei zwischen schädlichen Konsum und abhängigen Konsum unterscheiden muss. Bei Letzterem handelt es sich um einen starken Kontrollverlust. Dieser wird als teilweise "berauschender" Zustand beschrieben.
Einer der Bewohner erzählt ebenfalls von Halluzinationen und Psychosen, die er während seiner abhängigen Phase erleiden musste. Solche Erlebnisse wurden bei ein paar von ihnen oft zum Alltag und so kam es dazu, dass einige bereits morgens vor der Arbeit Drogen konsumierten. Beweggründe für die Suche nach Hilfe waren bei ihnen vor allem die Sorgen ihrer Mitmenschen und starke Verluste. So erzählen sie uns von Schwierigkeiten bei der Erhaltung von Partner- und Freundschaften sowie von Arbeitsplätzen. "Das ist es nicht wert", betont einer der Patienten. Laut ihm hinterlasse eine Sucht belastende Spuren für das ganze Leben. Die Erinnerungen an diese seien in das sogenannte Suchtgedächtnis gespeichert.
Eines der Ziele der Bernhard-Salzmann-Klinik ist es, den Patienten Wege zu zeigen, durch welche sie mit diesen Spuren umgehen können. Durch eine Kombination verschiedenster Therapien mit Schwerpunkten wie Bewegung oder Gestaltung ermöglicht das therapeutische Angebot der Klinik einen Weg zur Besserung. Die Patienten benennen als hilfreiche Faktoren auch den nahen Kontakt und Austausch mit anderen Bewohnern sowie Zeit und Raum für Selbstreflexion als wichtiger Teil ihres Aufenthalts, dessen Dauer stark variieren kann.
Eine Sucht kann, wie jede andere Krankheit, tödlich sein. Deswegen ist die richtige Behandlung unglaublich wichtig, denn selbst während unserem kurzem Ausflug wird uns sowohl von den Patienten als auch der Therapieleiterin der Appell mitgegeben: "Drogen und Alkohol lösen keine Probleme", im Gegenteil - oftmals vergrößern sie diese nur.