Der Salamander und die Eule – Das Feuersalamanderprojekt am GaW

In den Sommerfeien wurde im Kellerflur ein Lichtschacht zu einem Terrarium für Feuersalamander umgebaut. Viele Schüler*innen und Kolleg*innen fragen sich, was es damit auf sich hat.

Seit Beginn meiner Tätigkeit als Referendar am GaW geisterte bei mir im Kopf die Idee herum, dass man die trostlosen Lichtschächte im Kellerflur doch viel besser nutzen könnte, indem man diese durch relativ kleinen Aufwand zu Terrarien umgestaltet. Von dieser Idee konnte der damalige Schulleiter Herr Dr. Clauß auch schnell begeistert werden und erste Anfragen an den Immobilienbetrieb der Stadt Bielefeld (ISB), die für bauliche Maßnahmen am Gebäude zuständig sind, wurden aufgenommen. Diese erste Initiative zum Umbau wurde jedoch durch die Überflutung des Kellers im Juni 2013 jäh beendet und die Idee erst wieder durch den neuen stellvertretenden Schulleiter Frank Weritz aufgegriffen. Dessen Begeisterung für ein „Lichtschachtterrarium“ war schnell entflammt und der Kontakt und die Verhandlungen mit dem ISB wurden erneut aufgenommen. Zunächst bedurfte es dennoch viel Überzeugungsarbeit bei der Stadt, damit diese wahnwitzige Idee, aus einem Lichtschacht ein Terrarium zu machen, nicht sofort abgelehnt wurde. Herrn Weritz‘ beharrlicher und charmanter Einwirkung ist es jedoch zu verdanken, dass nach einiger Zeit erste, vorsichtig optimistische Zeichen vom ISB gesandt wurden und wir konkretere Überlegungen bezüglich eines geeigneten tierischen Besatzes anstellen konnten. Wer oder was würde sich aber in einem Lichtschachtterrarium wohlfühlen?

Um Tiere artgerecht und langfristig in einem Terrarium zu pflegen, müssen die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Art an ihre Umwelt erfüllt werden. Der umgebaute Lichtschacht steht im Prinzip im Freien, da er nach oben hin offen ist. Somit schließt sich die Haltung von tropischen Amphibien oder Reptilien, auch unter zu Hilfenahme von technischen Hilfsmitteln, wie Licht- und Wärmestrahlern, aus. Aber auch die Anforderungen von Tieren aus den gemäßigten Breiten lassen sich hier nicht ohne weiteres umsetzen. Nahezu perfekte Bedingungen stellen sich jedoch für Feuersalamander in diesen Schächten ein.

Der Feuersalamander (Salamandra salamandra) mag es gerne etwas dunkler, denn er ist ein überwiegend nachtaktiver, feuchtigkeitsliebender Schwanzlurch der Laubmischwälder der Mittelgebirge, in denen sich Totholz und kühle Quellbäche finden lassen. In die Lichtschächte kann kein direktes Sonnenlicht einfallen, die Temperaturen sind im Sommer nicht zu hoch und im Winter bleiben die Schächte frostfrei, da sie fast 1,50m tief in die Erde reichen: Bedingungen genau nach Lurchis Geschmack. Neben diesen Ansprüchen, die in den Lichtschächten optimal umgesetzt werden können, qualifizierte sich der schwarz-gelbe Lurch als Terrarienpflegling auch aus einem weiteren, leider nicht so ganz erfreulichen Grund.

Das Problem: Die Salamanderpest

Seit einigen Jahren weiß man in Europa von einer neuen Amphibien-Krankheit, der „Salamanderpest“. Sie wird durch den Hautpilz Batrachochytrium salamandrivorans (Bsal) hervorgerufen, der vermutlich aus Asien eingeschleppt wurde. Der Pilz ist vor allem für die heimischen Salamander und Molche gefährlich. Die Salamanderpest ist in mehreren europäischen Ländern nachgewiesen, doch anscheinend breitet sie sich nirgends so stark aus wie in Deutschland. Konnte man das Pathogen zunächst nur in der Eifel nachweisen, ist es seit 2017 aus dem Ruhrgebiet und inzwischen auch aus dem Süden Deutschlands bekannt. Besonders betroffen ist der Feuersalamander, bei dem es zu lokalen Massensterben kommt. Die Salamanderpest ist eine enorme Bedrohung für die heimische und die gesamte europäische Amphibienfauna. Sie stellt den Artenschutz vor große Herausforderungen.

Was kann man also tun, um einem Worst-Case-Szenario, dem Aussterben von ganzen Populationen des Feuersalamanders zuvorzukommen?

Da im Moment keine Behandlungsmaßnahmen zur Eindämmung von Bsal bei Feuersalamandern bestehen und die Forschung an Feuersalamander-Vakzinen weder finanziell noch personell so gut ausgestattet ist wie bei Corona, muss von einer schnellen und verheerenden Ausbreitung von Bsal auf dem Bundesgebiet und einem Zusammenbruch eines Großteils der Feuersalamander-Populationen im Freiland ausgegangen werden. Und genau hier kamen Lichtschachtterrarium und Salamander zusammen! In diesem Fall ist es nämlich notwendig, ein Erhaltungszuchtprogramm für den Feuersalamander auf die Beine zu stellen und Tiere in der Gefangenschaft pilzsicher zu vermehren. Denn wenn es gelingt, rechtzeitig eine ausreichende Anzahl der unterschiedlichen Populationen zu erhalten, bewahrt man sich so die Option, die ursprünglichen Formen nach einem Populationszusammenbruch später wieder auszuwildern.

Zudem bietet der Feuersalamander als eine Art, die „vor der Haustür“ lebt und konkret in ihrem Bestand bedroht ist, didaktisch besonders gute Chancen, Schülerinnen und Schülern handlungsorientiert aufzuzeigen, wie Wissenschaft und regionaler Arten- und Naturschutz funktionieren und wodurch sie möglicherweise angeregt werden, eigene Ideen und Konzepte für Forschungsarbeiten zum Thema zu entwickeln. Diese können dann in der Oberstufe z.B. für Facharbeiten oder ein „Jugend forscht“-Projekt genutzt werden. Aufgrund der dauerhaften Zugänglichkeit des Terrariums erfüllt dieses durch die Präsentation der Tiere noch einen viel wichtigeren Zweck, nämlich die niederschwellige Bewusstmachung und Information über die ernste Bedrohungslage des Feuersalamanders aller Personen, die an diesem Terrarium vorbeikommen. Und in einer Schule mit fast 1000 Beteiligten ist die Reichweite immens…

In den Sommerferien 2022 wurde der Umbau des Lichtschachtes durch den ISB endlich realisiert und das Terrarium für Feuersalamander konnte eingerichtet werden. Um die „Feuersalamanderarche“ in Teilen finanzieren zu können, hat sich das Projekt im Mai 2022 erfolgreich um eine Unterstützung durch den „Michaela-und-Marco-Schulz-Fonds“ zur Förderung der Schulterraristik der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) beworben. Das Projekt erhielt aus dem Fond 1.000 €, die für die Einrichtung des Lichtschachtterrariums, Ausrüstung für die Larvenaufzucht und für die Ausstattung einer kleinen „Feuersalamander-Bibliothek“ in der Schule genutzt werden. Langfristig wird das Projekt dankenswerterweise auch weiterhin durch den Förderverein des GaW unterstützt. Zudem sollen aber auch noch zusätzliche Kooperationspartner*innen als Sponsoren gesucht und gefunden werden, wobei sich die laufenden Kosten für die Tierhaltung im Jahr sicherlich überschaubar gestalten werden, da die Salamander a) relativ wenig fressen und b) durch die offenen Lichtschächte mit Wirbellosen versorgt werden, die dort hineinfallen.

Perspektiven – wie soll es weitergehen?

Ziel ist es, dass im Schulvivarium Feuersalamander dauerhaft gepflegt und nachgezogen werden. In Kooperation mit der Biologiedidaktik der Universität Bielefeld sollen in einem nächsten Schritt fachdidaktische Bildungsmaterialien zum Thema entwickelt werden. Neben der Universität Bielefeld konnte auch die Einbindung von überregionalen Verbänden und Organisationen, wie der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) und Citizens Conservation (Frogs & Friends) etabliert werden. Perspektivisch möchten wir gerne eine Art Netzwerk mit anderen „Feuersalamander-Archen“ an Schulen aufbauen (z.B. mit der „Wilhelm-von-Oranien-Schule“ in Dillenburg in Hessen), um Erfahrungen, didaktische Konzepte und Know-How in der Haltung von Feuersalamandern an Schulen auszutauschen.

Erste Erfolge

Zunächst wurde von den insgesamt 12 Lichtschächten im Kellerflur nur einer als Terrarium umgerüstet, um generell die Eignung als Terrarium zu testen. Bereits vor der Einrichtung des Terrariums wurden über mehrere Monate die klimatischen Bedingungen im Lichtschacht gemessen und beobachtet. So liegt die Luftfeuchtigkeit konstant über 70% und die Temperaturen stiegen auch an den besonders heißen Sommertagen im Jahr 2022 nicht über 24°C. Im Dezember lag die Temperatur im Lichtschacht bei 5°C bei einer Außentemperatur von -8°C. Um aber mögliche Ausfälle aufgrund von extrem niedrigen Temperaturen zu verhindern, sollen die Salamander zukünftig unter kontrollierten Bedingungen überwintert werden. Nachdem alle Parameter für die erfolgreiche Haltung stimmten, erhielten wir im November 2022 aus einer privaten Nachzucht ein Pärchen adulte Feuersalamander (S. s. terrestris), die zunächst in Quarantäne gehalten wurden und auf eine mögliche Bsal Infektion getestet wurden. In der Quarantänehaltung setzte das Weibchen in der Zeit zwischen dem 25. und 31.12.2022 insgesamt 24 Larven ab. Nachdem die Larven die ersten Tage bei mir in kleinen Aufzuchtbehältern gehältert wurden, konnten im Januar 2022 die ersten Schüler*innen der Schule mit den von Fonds-Mitteln finanzierten „Aufzuchtkits“ versorgt werden und die Pflege und Aufzucht der kleinen Feuersalamanderlarven übernehmen. Ein geglückter Start in ein spannendes Projekt!

Text und Fotos: Dr. Philip-Sebastian Gehring