Frieden, Menschlichkeit und Gleichberechtigung, Solidarität, Liebe und Gemeinschaft

Auch in diesem Jahr führte uns Dr. Matthias Biermann wieder durch den Schulgottesdienst in der Neustädter Marienkirche mit dem Thema „Die Glocke aus Erz“ und wurde musikalisch begleitet von der Kirchenmusikdirektorin Ruth M. Seiler an der Orgel. „Macht hoch die Tür“, „Mache dich auf und werde Licht“, „Süßer die Glocken nie klingen“, „Hört der Engel helle Lieder“ und „O du fröhliche“ waren zu hören sowie Alon Benne an der Blockflöte. Des Weiteren wirkten Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5, 6, 7, 10, Q1 und Q2 mit.

In einer ersten Meditation zu Beginn des Gottesdienstes, gelesen durch Schülerinnen und Schüler der Unter- und Mittelstufe, ging es um die verschiedenen Aufgaben, Funktionen und Wirkungen verschiedener Glocken: die zum Gottesdienst rufende Kirchenglocke, die Freude über die Pause auslösende Schulglocke, das Freude bei Kindern hervorrufende Glockenspiel, die zerborstene Glocke von Lübeck und das Freude über die anstehende Bescherung verkündende Weihnachtsglöckchen.
Nach einer musikalischen Einlage mit John Cennicks „Lo, he comes“, solistisch zur Orgelbegleitung gesungen von Anne Smutny, erzählte eine kleine Gruppe Schülerinnen und Schüler in einem Anspiel das aus Russland stammende Weihnachtsmärchen „Die Glocke aus Erz“:

Ein Bauer findet eine Glocke aus Erz im Acker, die für ein Wunder gehalten wird, da sich niemand erklären kann, wie sie dahingekommen sein könnte. Die Glocke wird in einem Turm aufgehängt, woraufhin fortan ihr Läuten düstere Gedanken verdrängt und Hoffnung aufleben lässt, weshalb der Zar sie konfiszieren lässt, jedoch nicht bewegen kann und deshalb zerstören lässt – vergeblich. Denn die Scherben werden über Nacht zu kleinen Glocken, die die Bewohner des Dorfes am nächsten Morgen nach Hause mitnehmen, die Glocke nun erst recht für ein Wunder haltend.

Die anschließende zweite Meditation, diesmal von Pastor Dr. Biermann im Wechsel mit mehreren Schülerinnen und Schülern gesprochen, widmete sich den verschiedenen Botschaften der Glocke für das Weihnachtsfest 2023: Frieden, Menschlichkeit, Gleichberechtigung, Solidarität, Liebe und Gemeinschaft. Die Glocke ist ein Symbol der Hoffnung, regt den Gedanken an diejenigen in unserer Welt, die unter Kriegen leiden, und ruft zur Gemeinschaft auf. Sie erinnert an die Liebe und den Frieden Christi, die unser Herz erfüllen sollen und fordert mehr Gleichberechtigung. Ihr Klang wünscht uns ein besinnliches Weihnachten, ohne Schmerzen und mit einer Hoffnung, auf eine Welt ohne Gier, Hunger oder Hass und eine Welt voller Liebe und Musik. Ihr Klang soll den Hass verbannen, die Zeit des Lichts einläuten, die heilige Religion symbolisieren sowie Licht und Geschichte vereinigen. Ihr Klang soll auch für Frieden im Nahen Osten ertönen.

Nach einem Solo von Alon Benne auf der Blockflöte fuhr Pastor Dr. Biermann mit seiner Liturgie fort. Die Ansprache des Gottesdienstes, adressierte er an Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, und Freundinnen und Freunde des Gymnasiums am Waldhof:
Glocken gehören einer vergangenen Zeit an. Sie gehen in unserem heutigen Alltag zwischen Benachrichtigungen von mobilen Endgeräten, Kraftfahrzeugen und den sonstigen Geräuschen unserer Leben unter. Dennoch warnen sie, mahnen und erfreuen, und sind gerne als Dekoration gesehen.
Auch dieses Jahr gibt es wieder eine besondere symbolische Verbindung zum Weihnachtsfest durch beliebte Lieder wie „Jingle Bells“, „Kling, Glöckchen, Kling“ und „Süßer die Glocken nie klingen“. Doch auch heute seien die Themen des Märchens der „Glocke aus Erz“ noch aktuell: Das Glück und die Hoffnung der Vielen stehen dem Egoismus und der Habgier des Einen, hier durch den Zaren verkörpert, gegenüber. Doch verdeutliche das Märchen auch, dass in bedrückenden Situationen durchaus Wunder geschehen können, dass Glocken ein Sehnen nach Veränderung, danach, dass nichts so bleibt wie es ist, symbolisieren, dass ihr Klang Hungernden etwas zu Essen biete, denn die Glocke hielt dem Zerstörungswillen stand und fand ihren Weg zu jedem einzelnen. Die „Glocke aus Erz“ soll uns zeigen, dass die Hoffnung mit uns mitgeht, und dass nichts so bleiben muss, wie es ist.
Den Bogen zur biblischen Weihnachtsgeschichte nach dem Evangelisten Lukas schlägt Pastor Dr. Biermann über die Parallelen, den Unterschied zwischen Arm und Reich, repräsentiert durch eine Frau und ihren Verlobten sowie die Hirten und auf der Gegenseite die Herrscher in Rom und Jerusalem, der wundersamen Verkündung eines Gegenkönigs durch die himmlischen Heerscharen. „Gott macht sich klein, und den Menschen groß.“, sagte Pastor Dr. Biermann.
Die Verkündungsworte des Engels, „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“, seien jedes Jahr wieder präsent, werden jedoch nicht eingelöst. Es falle schwer, sie in den Mund zu nehmen, im Angesicht der zu großen Teilen bewaffnet ausgetragenen Konflikten unserer Zeit. Dennoch sei es nicht naiv, diese Hoffnung zu haben, und die Worte auszusprechen, denn die Weihnachtshoffnung der Engelsworte ducke sich nicht vor der Realität weg. Es sei aber notwendig an der Hoffnung festzuhalten, an der Botschaft gegen Gewalt und Machtmissbrauch, die uns die biblische Weihnachtsgeschichte sendet; sei es in Weihnachtsfeiern, Weihnachtsliedern oder dem Wagnis, das Unsagbare zu sagen, als wäre es möglich.

Im Anschluss an die Ansprache von Pastor Dr. Biermann verlasen zwei Schüler der Q2 die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium, bevor im Fürbittengebet für die unter Krieg und Unrecht Leidenden, für all diejenigen, die sich nicht freuen können, die krank sind oder hungern, für mehr Gerechtigkeit und Menschlichkeit gebetet wurde.

Nach einem abschließenden Spiel der Kirchenglocken, verteilten Schülerinnen der fünften Klassen zum Ausgang selbstgebastelte Glocken, um die Botschaft des Gottesdienstes auch auf den Heimweg mitzugeben.

 

Fritz (Q1) für die Waldhof-Redaktion